Ales Bjaljazki ist ein Menschenrechtsaktivist in Belarus, der seit fast 30 Jahren für Demokratie und Freiheit kämpft. Im Jahr 1996 gründete er zur Unterstützung politischer Gefangener das Menschenrechtszentrum „Wjasna“ in Minsk. Inzwischen ist dieses zur führenden Nichtregierungsorganisation des Landes geworden und trägt durch die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und die Beobachtung von Wahlen zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Belarus bei.
Das von Präsident Alexander Lukaschenko regierte Belarus wird häufig als „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet. Dieser Titel geht auf Lukaschenkos autoritäre Herrschaft zurück, unter der Wahlen gefälscht, oppositionelle Stimmen zum Schweigen gebracht und die Zivilgesellschaft durch staatliche Institutionen, die faktisch direkt an die sowjetische Vergangenheit des Landes anknüpfen, stark einschränkt wird. Auch ist Belarus das einzige Land auf diesem Kontinent, das immer noch an der Todesstrafe festhält.
Seit Mitte der 1980er Jahre führt Bjaljazi keine gewaltlose und überparteiliche Kampagne zur Verwirklichung demokratischer Freiheiten und der Schaffung einer lebendigen Zivilgesellschaft in Belarus. Ein Teil seiner Arbeit war der Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe. Als aktives Mitglied der nationalen Menschenrechtsbewegung wurde Bjaljazki verhaftet und verbrachte aufgrund erfundener Anschuldigungen mehrere Jahre im Gefängnis – ein Versuch der belarussischen Behörden, seine Aktivitäten zu unterbinden. Ebenso hat die Regierung wiederholt „Wjasna“ und seine Mitglieder ins Visier genommen.
Trotzdem sind Bjaljazki und „Wjasna“ durch ihre beharrlichen und langjährigen Bemühungen, die Menschen in Belarus zum Widerstand zu befähigen und ihre demokratischen Rechte zu gewährleisten, eine unaufhaltbare Kraft für die Freiheit geworden. Während der pro-demokratischen Proteste und auch der jüngsten Großdemonstrationen im Nachgang der manipulierten Präsidentschaftswahlen 2020 engagierte sich „Wjasna“ als wichtiger Akteur für die Forderungen nach Versammlungsfreiheit, die Verteidigung der Rechte derjenigen, die wegen der Proteste verhaftet wurden, und die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Bjaljazki ist Mitglied des im April 2020 von Opposition und Zivilgesellschaft gegründeten Koordinierungsrates, welcher das Ziel eines friedlichen Machtübergangs im Land verfolgt.
Bjaljazki und „Wjasna“ stehen für die Vielzahl mutiger Menschen, die unter hohem persönlichem Risiko gegen Lukaschenkos diktatorisches Regime protestieren. Mit ihrem langjährigen Einsatz für Demokratie und Freiheit haben Bjaljazki und „Wjasna“ einen wesentlichen Grundstein für eine friedliche und demokratische Gesellschaft in Belarus gelegt.
Biografische Daten zu Ales Bjaljazki
Geburtsort: Karelien, Russland
Geburtsdatum: 25. September 1962
Ausbildung: 1984 Abschluss an der Fakultät für Geschichte und Philologie der Staatlichen Universität Gomel; 1989 Promotion am Institut für Literatur der Akademie der Wissenschaften in Minsk
Engagierter Verfechter von Freiheit und Menschenrechten
Seit Mitte der 1980er-Jahre setzt sich Ales Bjaljzki an vorderster Front für die Verwirklichung demokratischer Freiheitsrechte ein, zunächst in der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik und später im unabhängigen Belarus. 1988 war er Mitorganisator einer Reihe öffentlicher Aktionen gegen den Stalinismus und zum Gedenken an die Opfer sowjetischer politischer Repression, für die er verhaftet und mit Bußgeldern belegt wurde. Er war aktives Gründungsmitglied des Organisationskomitees der Belarussischen Volksfront, einer politischen und sozialen Bewegung, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für den Aufbau der Demokratie einsetzte. Von 1999 bis 2001 war er Stellvertretender Vorsitzender des Komitees.
Während der Massenproteste der demokratischen Opposition in Belarus 1996 gehörte Bjaljazki zu den Mitbegründern des Menschenrechtszentrums Wjasna und ist seither dessen Vorsitzender. Ursprünglicher Zweck von Wjasna war die Unterstützung inhaftierter Demonstrantinnen und Demonstranten und ihrer Familien. Heute ist Wjasna eine landesweite Nichtregierungsorganisation mit ihrer Geschäftsstelle in Minsk sowie Regionalgruppen mit etwa 200 Mitgliedern in den meisten belarussischen Städten.
Seit ihrer Gründung ist das Hauptziel von Wjasna, auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Belarus beizutragen. Dieses Ziel verfolgt die Organisation durch eine Vielzahl an Maßnahmen, darunter Forschung zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechtssituation in Belarus sowie deren Monitoring, die Beobachtung von Wahlen und Unterstützung bei der Umsetzung der von Belarus ratifizierten internationalen Menschenrechtsverträge.
Repressionen in „Europas letzter Diktatur“
Das von Präsident Alexander Lukaschenko regierte Belarus gilt gemeinhin als „letzte Diktatur Europas“. Und dies nicht zu Unrecht: Die Bezeichnung verweist auf Lukaschenkos autoritäre Herrschaft, unter der Wahlen gefälscht und oppositionelle Stimmen zum Schweigen gebracht werden und die Zivilgesellschaft durch staatliche Institutionen, die faktisch direkt an die sowjetische Vergangenheit des Landes anknüpfen, massiven Beschränkungen unterliegt.
Seit ihrer Gründung stand Wjasna unter der unerbittlichen Verfolgung der belarussischen Behörden: Mitglieder wurden wiederholt festgenommen, inhaftiert und geschlagen, waren Razzien ausgesetzt und wurden mit Geldstrafen belegt. Am 28. Oktober 2003 entzog der belarussische Oberste Gerichtshof Wjasna wegen ihrer Beteiligung an der Beobachtung der Präsidentschaftswahlen 2001 ohne triftige Begründung die Registrierung. Im Jahr 2006 erklärte der UN-Menschenrechtsausschuss die Auflösung der Organisation für unrechtmäßig und empfahl den belarussischen Behörden, Wjasna erneut zu registrieren. Dieser Beschluss wurde jedoch von der belarussischen Regierung ignoriert. Ihre Arbeit hat die Organisation ungeachtet dessen fortgesetzt.
Infolge seiner Beteiligung an Aktionen zur Förderung der Demokratie geriet auch Bjaljazki ins Visier der belarussischen Behörden. Mehr als 25-mal wurde er verhaftet, außerdem mit Geldstrafen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen belegt.
Im Jahr 2011 wurde er grundlos der Steuerhinterziehung bezichtigt, verhaftet und zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Unabhängige Beobachter*innen und internationale Organisationen verurteilten sowohl das Verfahren als auch das Urteil aufs Schärfste und bezeichneten sie als politisch motivierte Vergeltungsmaßnahmen für Bjaljazkis Menschenrechtsarbeit. Während seiner Haft unterlag er empfindlichen Einschränkungen, verbrachte lange Zeit in Einzelhaft, soziale Kontakte wurden ihm verweigert. Nach 1.052 Tagen im Gefängnis wurde Bjaljazki schließlich im Juni 2014 entlassen. Der damalige UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Belarus, Miklós Haraszti, beschrieb Bjaljazkis Inhaftierung als „Symbol der Unterdrückung von Verfechtern der Menschenrechte“.
Trotz dieser unmenschlichen Behandlung hat Bjaljazki in seinem Engagement für die Förderung demokratischer Prinzipien und der Menschenrechte in Belarus nie nachgelassen. Nach seiner Freilassung übernahm er erneut die Leitung von Wjasna und spielt seitdem eine zentrale Rolle in der belarussischen Zivilgesellschaft in einer der turbulentesten Phasen der neueren Geschichte des Landes. Um an den Tag von Bjaljazkis Festnahme zu erinnern, erklärten nationale und internationale zivilgesellschaftliche Gruppen während seiner Haft den 4. August zum Internationalen Tag der Solidarität mit der Zivilgesellschaft in Belarus.
Der Demokratie den Weg bereiten
In einem Land, in dem der Spielraum der Zivilgesellschaft so beengt ist, sind greifbare Ergebnisse nur schwierig zu erzielen. Dennoch konnte sich Wjasna als maßgebliche Stimme für Menschenrechte und demokratische Freiheiten im Land behaupten. Ihre beständigen Berichte und Dokumentationen, gepaart mit ihrer Präsenz in unabhängigen Medien, haben das Thema Menschenrechtsverletzungen einer breiteren Öffentlichkeit in Belarus nahe gebracht. Festgemacht werden kann dieser Bewusstseinswandel innerhalb der Bevölkerung anhand der wachsenden Zahl von Demonstrationen im Land in den vergangenen zehn Jahren. Auch wurde der Kurswechsel der Regierung von einer Art „sanfter Unterdrückung“ hin zu einem gewaltsamen Durchgreifen des Regimes von Wjasna sorgfältig dokumentiert, insbesondere durch ihre lückenlose Liste politischer Gefangener im Land.
Gemeinsam haben Bjaljazki und Wjasna – und ihre Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen im In- und Ausland – eine maßgebliche Rolle in der Unterstützung und Förderung der Zivilgesellschaft in Belarus gespielt.
Zu den nachhaltigen Errungenschaften der Organisation gehört ihre erfolgreiche Überzeugungsarbeit beim UN-Menschenrechtsrat, welche 2012 zur Einsetzung eines Sonderberichterstatters für die Lage der Menschenrechte in Belarus führte. Infolgedessen wurden die von Wjasna dokumentierten Menschenrechtsverletzungen auf höchster internationaler Ebene diskutiert und die Einhaltung internationaler Standards durch Belarus kann überwacht werden. Da Belarus keine Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, sind die Vereinten Nationen das einzige internationale Organ, durch das eine gerichtliche Beurteilung der Menschenrechtsbilanz des Landes erfolgen kann.
Zudem setzt sich Wjasna entschlossen gegen die Todesstrafe in Belarus ein, welche dieses als letztes europäisches Land noch vollstreckt. Soziologische Erhebungen belegen, dass sich die öffentliche Meinung in Richtung einer Abschaffung der Todesstrafe verschoben hat. Auch ist diese inzwischen regelmäßiger Bestandteil der Diskussionen über die Menschenrechtssituation zwischen belarussischen Regierungsvertreter*innen und ihren europäischen Gesprächspartner*innen. Mit den europäischen Ländern und mit internationalen Organisationen arbeitet Wjasna beim Monitoring vor Ort und der internationalen anwaltschaftlichen Arbeit bei den Vereinten Nationen zusammen. Auch steht die Organisation in Kontakt mit staatlichen Behörden, um zum Tode Verurteilte zu verteidigen, Argumente vorzutragen und Informationen mit Regierungsbehörden über die Frage der Todesstrafe auszutauschen.
Seit mehr als zehn Jahren führen Bjaljazki und Wjasna außerdem unabhängige Beobachtungen der Wahlen im Land durch, bei denen externe Beobachter*innen häufig nicht zugelassen sind. Während der Wahlen 2020 war Wjasna federführendes Mitglied der Beobachtungsgruppe „Menschenrechtler*innen für freie Wahlen“.
Präsidentschaftswahlen 2020 und die anschließenden Demonstrationen
Die manipulierten Präsidentschaftswahlen 2020, die anschließenden landesweiten Proteste und Streiks und das brutale Vorgehen des Regimes gegen friedlich Protestierende haben die diktatorischen Methoden des belarussischen Staates international ins Blickfeld gerückt. Tausende Protestierende wurden verhaftet und Wjasna hat den weit verbreiteten Einsatz von Folter durch die Behörden dokumentiert.
Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 wurde Bjaljazki Mitglied des Koordinierungsrates, der von Angehörigen der Opposition eingerichtet wurde und dem Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und andere prominente belarussische Persönlichkeiten angehören. Als maßgebliche inländische Gruppierung verurteilte der Rat das gewaltsame Vorgehen gegen friedlich Demonstrierende und forderte die Einhaltung der internationalen Standards für freie und faire Wahlen.
Auch wenn das Ergebnis der Demonstrationen von 2020 noch abzuwarten bleibt, ist bereits jetzt offenkundig, dass Ales Bjaljazki und Wjasna dazu beigetragen haben, den Grundstein für eine friedliche und demokratische Gesellschaft in Belarus zu legen.