Bryan Stevenson (USA)

... für sein inspirierendes Bestreben, die US-amerikanische Strafjustiz zu reformieren und Menschen unterschiedlicher Ethnien im Angesicht des historischen Traumas zu versöhnen

Bryan Stevenson ist ein führender US-amerikanischer Bürgerrechtsanwalt. Sein Ziel ist die Reform des Strafrechtssystems zur Gewährleistung gleicher Rechte für alle. Da die Ungerechtigkeit des Systems People of Color überproportional stark betrifft, hat Stevenson sein Leben dem Streben nach Gleichberechtigung der Ethnien und der Anfechtung des historischen Erbes des institutionellen Rassismus in den USA gewidmet. Stevensons jahrzehntelanger Kampf für die Marginalisierten, darunter auch Menschen im Todestrakt, hat den Weg für eine gerechtere Gesellschaft geebnet.

Stevensons Engagement wurzelt in der Erkenntnis, dass die Gesellschaft und das Justizsystem aufgrund der unbewältigten Geschichte der Sklaverei und der Ideologie der White Supremacy in den USA von systemischem Rassismus durchdrungen sind. Das zeigt sich auch darin, dass die USA die höchste Inhaftierungsrate der Welt haben, wobei People of Color und arme Menschen überdurchschnittlich häufig betroffen sind.

Im Jahr 1989 gründete Stevenson die Organisation, die sich heute Equal Justice Initiative (EJI) nennt und sich seit Jahrzehnten für Menschen in der Todeszelle einsetzt. Jedes Jahr vertreten sie Hunderte von Menschen im Strafrechtssystem und haben für mehr als 140 unrechtmäßig zum Tode Verurteilte eine Entlassung, Hafterleichterung oder Urteilsrevision erwirkt. Stevenson ist ein lautstarker Gegner der Todesstrafe. Vor dem Obersten Gerichtshof der USA hat er Prozesse geführt und gewonnen, welche die Rechte von Menschen mit psychischen Krankheiten im Strafrechtssystem und die Rechte Minderjähriger, die strafrechtlich als Erwachsene verfolgt wurden, gestärkt haben. Ein weiterer wichtiger Teil seiner Arbeit waren Kampagnen gegen übermäßig hohe Strafen, die unverhältnismäßig oft gegen arme Menschen und People of Color verhängt werden.

Stevenson und die EJI haben sich stark in der Dokumentation der Geschichte der Sklaverei, der Lynchmorde und der Rassentrennung in den USA engagiert und sowohl ein Museum als auch ein Denkmal in Montgomery (Alabama) eröffnet. Durch seine Forderung nach einem gesamtgesellschaftlichen Prozess der Aufarbeitung der Sklaverei und der Ideologie der White Supremacy in den USA bereitet Stevenson den Boden für die strukturellen Veränderungen, die für einen gesellschaftlichen Prozess der Heilung von der langen und gewalttätigen Geschichte der Ungerechtigkeit gebraucht werden.

Stevensons leidenschaftlicher Einsatz für die von der Gesellschaft Verurteilten und an den Rand Gedrängten wirft ein Licht auf den inneren Wert eines jeden Menschen. Wie er in seinen 2014 erschienenen Memoiren mit dem Titel Just Mercy schrieb: „Jeder und jede von uns ist mehr als das Schlimmste, was wir je getan haben.“

 

Biografische Daten

Geburtsort: Milton, Delaware, USA

Geburtsdatum: 14. November 1959

Ausbildung: Eastern University, Harvard Law School (Dr. jur.) und Harvard School

of Government (Master-Abschluss in Public Policy)

Ausführliche Biografie

Bryan Stevenson ist Anwalt für Bürgerrechte, der sein Leben dem Streben nach einer Reform der Strafjustiz, der Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher ethnischer Abstammung und dem Kampf gegen die historischen Altlasten des institutionellen Rassismus in den USA verschrieben hat.

Als Leiter der von ihm gegründeten Equal Justice Initiative (EJI) setzt sich Stevenson für die Rechte von zu Tode Verurteilten, von Minderjährigen, die wie Volljährige verurteilt wurden, und von Menschen mit geistigen Behinderungen im Strafvollzugssystem ein.

Das größte Gefängnis der Welt

Als junger Rechtsanwalt begann Stevenson seine Karriere beim Southern Center for Human Rights in Atlanta (Georgia) und vertrat dort zum Tode verurteilte und mittellose Inhaftierte. Diese Erfahrung prägte sein Bewusstsein für die Ungleichheiten im Strafrechtssystem der USA und führte ihn nach Alabama, einen US-Bundesstaat, in dem es keine staatlich finanzierte Rechtshilfe für zum Tode verurteilte Inhaftierte gab.

Im Jahr 1989 gründete er das Alabama Capital Representation Resource Center in Montgomery (Alabama), welches heute unter dem Namen Equal Justice Initiative bekannt ist. Zu diesem Zeitpunkt verzeichnete Alabama eine regelrechte Flut von Todesurteilen und eine rasch wachsende Zahl von Inhaftierten. Gleichzeitig erhielten die Angeklagten häufig keine angemessene Pflichtverteidigung, um ihren Fall vor Gericht zu vertreten. Als Stevenson seine Arbeit 1989 aufnahm, führte Alabama, zusammen mit Texas, die höchste Zahl an Hinrichtungen im Land durch. Bis zum heutigen Tag verzeichnet der Bundesstaat eine der höchsten Pro-Kopf-Raten an Todesstrafen in den Vereinigten Staaten.

Die Probleme des US-amerikanischen Justiz- und Vollzugssystems sind dabei nicht auf einzelne Bundesstaaten begrenzt, sondern im ganzen Land akut. Während nach Angaben der amerikanischen Statistikbehörde für den Justizsektor (US Bureau of Justice Statistics) im Jahr 1972 lediglich 200.000 Menschen im Land inhaftiert waren, ist diese Zahl seitdem auf aktuell 2,2 Millionen Inhaftierte geschnellt. Dieser Anstieg ist vor allem auf die Verhängung übermäßig hoher Strafen zurückzuführen, die Stevenson als „Politisierung der Bestrafung“ beschrieben hat. Das Überhandnehmen von Gesetzen mit verpflichtendem Mindeststrafmaß, die keinen Raum für die Einbeziehung weiterreichender Umstände lassen; die Privatisierung des Strafvollzugs; der sogenannte „War on Drugs“, welcher die Strafjustiz nutzt, um eines Problems Herr zu werden, das im Grunde eine Aufgabe der Gesundheitsversorgung ist – all diese Entwicklungen haben zu einem System beigetragen, das laut Stevenson „einen besser behandelt, wenn man reich und schuldig, als wenn man arm und unschuldig ist.“

Aufgrund der unbewältigten Erblasten der Sklaverei, der Rassentrennung und der Ideologie der White Supremacy in den USA sind Ungerechtigkeiten aufgrund von Hautfarbe und ethnischer Abstammung noch immer tief im Strafrechtssystem verwurzelt. Infolge rassistischer Vorurteile wird People of Color ihr Recht auf einen fairen Prozess häufig vorenthalten; auch drohen ihnen härtere Strafen, wenn sie für schuldig befunden werden. Hinzu kommt, dass das US-Justizsystem in Bezug auf die Verhängung der Todesstrafe eine erschreckend hohe Fehlerquote aufweist: Auf neun Todestraktinsass*innen, die hingerichtet werden, kommt ein Häftling, der bzw. die von seinem bzw. ihrem Verbrechen entlastet wird.

Auf dem Weg zur Gerechtigkeit für alle

Als Gründer und Direktor der EJI liegt Stevensons Schwerpunkt auf der Beendigung der massenhaften Inhaftierung von Menschen und der Verhängung übermäßig hoher Strafen in den USA. Im Rahmen seiner Arbeit bietet er kostenlosen Rechtsbeistand an: für zum Tode Verurteilte, zu Unrecht oder ungerecht verurteilte Menschen, Minderjährige, die dazu verurteilt wurden, in Gefängnissen für Erwachsene zu sterben, Menschen mit Behinderungen sowie andere marginalisierte und entrechtete Menschen.

Anfangs trafen Stevenson und die EJI auf erbitterten Widerstand, erhielten sogar Morddrohungen, weil sie sich für Verurteilte einsetzten. Inzwischen vertreten Stevenson und das Team der EJI jedes Jahr Hunderte von Menschen im Strafrechtssystem und haben bis zum heutigen Tag für mehr als 140 zu Unrecht Verurteilte oder zu Unrecht zum Tode Verurteilte eine Entlassung, Milderung des Strafmaßes oder eine Urteilsrevision erwirkt.

Neben dem Rechtsbeistand für zum Tode Verurteilte fokussiert sich Stevenson auch auf „dynamischen Rechtsstreitigkeiten“. Dabei kommt der positive Ausgang eines Falles nicht nur dem oder der jeweiligen Angeklagten zugute, sondern kann sehr viel weitreichendere Konsequenzen haben und als Präzedenzfall dienen. Dieser Ansatz beruht auf dem Gedanken, nicht nur ungerechte Gesetze zu ändern, sondern Rechte für benachteiligte und marginalisierte Menschen herauszuarbeiten und diese anschließend vor Gericht durchzusetzen.

Mit dieser Herangehensweise hat Stevenson fünf Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof der USA bestritten und gewonnen, darunter eine wegweisende Entscheidung im Jahr 2012, die die Verhängung von verpflichtenden lebenslangen Haftstrafen ohne Bewährung gegen Minderjährige verbietet. Dank Stevensons Einsatz haben Tausende Menschen in den ganzen USA, die als Kinder zum Tod im Gefängnis verurteilt wurden, nun Anspruch auf einen besseren Schutz ihrer Grundrechte; Hunderte wurden freigelassen. Im Jahr 2019 erstritt Stevenson erfolgreich ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, welches die Schutzmechanismen des 8. Zusatzartikels der amerikanischen Verfassung gegen grausame und ungewöhnliche Bestrafungen auf Menschen mit Demenz und anderen psychischen Krankheiten ausweitet.

Während immer wieder seine Erfolge und die gewonnenen Prozesse betont werden, geht es Stevenson gleichermaßen um das menschliche Element seiner Arbeit, insbesondere die Solidarität mit seinen Klientinnen und Klienten. Er formulierte es so: „In Beziehung und Verbundenheit mit ihnen zu stehen und für ihren Wert und ihre Würde zu streiten, ist für mich der aussagekräftigste Maßstab für das, was wir tun.“

Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Wiedergutmachung

Neben seinen Erfolgen im Gerichtssaal hat Stevenson in seiner jüngsten Arbeit Anstrengungen unternommen, die Problematik der andauernden Auswirkungen der Sklaverei und des institutionellen Rassismus in den USA zu vertiefen. Damit will er Verständnis schaffen und einen Diskurs ins Leben zu rufen, die dazu beitragen, sich mit diesem Erbe zu versöhnen. Obwohl die Sklaverei 1865 per Gesetz abgeschafft wurde, wurden Schwarze Menschen durch Lynchmorde weiterhin terrorisiert und unterjocht. Zwischen dem Ende der „Reconstruction“-Phase im Jahr 1877 und 1950 flohen sechs Millionen Schwarze aus dem Süden der Vereinigten Staaten, um Lynchmorden zu entgehen. Diese Geschichte des rassistischen Terrors, einschließlich des Hinmetzelns indigener Menschen durch Siedler*innen, hat seitdem die Erfahrungen von People of Color geprägt. Laut Stevenson sind die USA eine post-genozidale Gesellschaft, die sich mit den Schrecken ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss, um eine friedliche Zukunft zu gestalten. Er sagte: „Mir ist eines klar geworden: Wenn wir jetzt nicht ein Zeitalter der Wahrheit und Gerechtigkeit einleiten und diese Geschichte aufarbeiten, werden wir nie frei sein.“

Im Jahr 2010 begann die EJI mit der Untersuchung rassistisch motivierter Lynchmorde und dokumentierte für die Zeit zwischen 1865 und 1950 mehr als 6.500 Fälle. Mindestens 800 dieser Lynchmorde waren zuvor unerfasst gewesen und Tausende von Opfern bleiben weiterhin unbekannt.

Um an diese historischen Verfolgungen zu erinnern und sie sichtbar zu machen, hat die EJI das Community Remembrance Project ins Leben gerufen. Es ist Teil der Kampagne der Organisation zur Würdigung der Opfer von Lynchmorden durch das Aufstellen historischer Markierungen, das Sammeln von Erde an Orten von Lynchmorden und die Schaffung eines nationalen Mahnmals, welches der Gräuel der Ungerechtigkeiten aufgrund von Hautfarbe und ethnischer Abstammung gedenkt.

Um dieser Arbeit mehr Gewicht zu verleihen, gründeten Stevenson und die EJI das National Memorial for Peace and Justice. Die Gedenkstätte wurde 2018 eröffnet und befindet sich in Montgomery – einer Stadt im Herzen der früheren Konföderierten Staaten. Die EJI beschreibt sie als „die erste Gedenkstätte des Landes, die dem Erbe der versklavten schwarzen Menschen gewidmet ist.“ Die Gedenkstätte widmet sich auch Menschen, die durch Lynchmorde und Rassentrennung terrorisiert wurden – Missstände, die sich mit Schuldvermutungen und Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen bis heute fortsetzen. Auf einer Fläche von knapp 2,5 Hektar thematisiert die Gedenkstätte rassistisch motivierten Terror und gedenkt seiner Opfer.

Zusammen mit der Gedenkstätte eröffnete die EJI 2018 in Montgomery auch das Museum des historischen Erbes: Von der Versklavung zur Masseninhaftierung (Legacy Museum). Das Museum mit einer Ausstellungsfläche von rund tausend Quadratmetern wurde am Standort eines ehemaligen Lagerhauses errichtet, in dem versklavte Schwarze Menschen gefangen gehalten wurden. Es befindet sich zwischen einem historischen Sklavenmarkt und dem Bahnhof an der größten Flussanlegestelle; von wo aus auf dem Höhepunkt des inländischen Sklavenhandels Zehntausende versklavte Menschen in andere Landesteile verbracht wurden.

Diese bahnbrechenden Projekte orientieren sich an Modellen anderer Länder, die Völkermord, Apartheid und Menschenrechtsverletzungen aufgearbeitet haben. Ihr Sinn ist nicht, bequem zu sein. Vielmehr geht es darum, ein Narrativ zu schaffen, das Menschen dazu inspiriert, sich zu einem: „Nie wieder!“ zu bekennen und ein hoffnungsvolleres Engagement für die Gleichstellung und die gerechte Behandlung aller Menschen, ungeachtet ihrer Hautfarbe und Abstammung zu entwickeln.

Mit seinem Mitgefühl, seinem klaren moralischen Kompass und seinem unerschütterlichen Einsatz für die Gerechtigkeit hat Stevenson uns die Hoffnung gegeben, dass gesellschaftliches und persönliches Unrecht durch eine Aufarbeitung der Vergangenheit und ein Bekenntnis zur Barmherzigkeit geheilt werden können.

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